Jeff Bezos, Chef des Online-Marktplatzes Amazon, hatte Ende letzten Jahres den Start des Amazon Prime Air Services versprochen und seitdem forscht das Unternehmen an Drohnen, die in Ballungsgebieten kleinere Pakete per Luftweg zu den Kunden liefern sollen. Neben Amazon gibt es aber noch ein Unternehmen, das sich bereits seit einigen Jahren im Stillen mit dem Bau von Lieferdrohnen beschäftigt hat: Der Suchmaschinenriese Google.

Google Wing Gif
© 2014 Google

 

Bereits seit dem Jahr 2011 beschäftigt sich Googles Entwicklungs- und Forschungsabteilung Google X mit Projekt Wing, einer Drohne die ihre Ladung, im Gegensatz zu Amazons Drohnen, auch über lange Strecken transportieren können soll. Erst vor einer kurzen Weile, gab Google die Existenz des Drohnenprojekts bekannt und zeigte bei einigen Testläufen im australischen Queensland, was das Flugobjekt bislang kann.

 

Die Drohne mit dem Namen Chickadee (eine in den USA beheimatete Meisenart) nutzt wie VertiKUL, das Drohnenprojekt einiger belgischer Studenten, das sogenannte „Nurflügler“-Design. Der Rumpf der Drohne bildet einen einzigen großen Flügel, der Chickadee in der Luft stabilisieren und so eine höhere Fluggeschwindigkeit und Reichweite ermöglichen soll. Google betont allerdings auch, dass es sich bei dem im Video gezeigten Modell noch nicht um das fertige Design, sondern „nur“ um einen Versuchsträger handelt.

Lieferung per „Angel“

Genau wie bei VertiKUL ist die Ladung in Chickadees Rumpf verstaut und bildet somit einen Teil des Flügels. Die Drohne startet senkrecht, kippt dann in einer Höhe von ungefähr 60 Meter um 90° und fliegt dann wie ein kleines Flugzeug zu seinem Ziel. Ist das Gefährt an einem Bestimmungsort angekommen, kippt es zurück in die Senkrechte, wobei die Ladung aus dem Rumpf gelöst wird und an einer Art starken Angelsehne hängend zu Boden fällt. Das Paket fällt mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 m/s, es fällt also ungebremst zu Boden, bis es ein paar Meter vor dem Aufschlag auf rund 2 m/s abgebremst wird und sanft abgelegt wird. Nachdem das Paket abgeliefert wurde, löst sich die Leine und wird in die Drohne gezogen, welche sich dann wieder auf den Weg zurück zu ihrem Startplatz macht. So will Google eines Tages Bestellungen innerhalb von nur zwei Minuten ausliefern.

Technische Probleme und Herausforderungen

Doch warum setzt Google auf eine solch komplizierte Lösung mit einer Winde? Diese Frage lässt sich recht einfach beantworten: Es war eine Frage der Sicherheit, denn die Leute griffen bei Tests mit landenden Drohnen immer wieder nach den Paketen, die immer noch an der Drohne hingen, oder griffen sogar direkt nach den Rotoren. Deshalb favorisierte Google die „Angel“-Lösung. Jedoch ergeben sich bei dieser Lösung weitere Probleme: Woher weiß die Drohne, wann sie den Fall des Pakets abbremsen muss und was passiert, wenn die Ladung beim Herunterlassen auf ein Hindernis trifft?

Hier werden die Anforderungen an die Ingenieure anspruchsvoller, denn die müssen den Drohnen zuverlässig beibringen können, ob sie ein Hindernis getroffen haben oder ob die Ladung tatsächlich gelandet ist. Im Normalfall, wenn also keine Probleme auftreten, schwebt Chickadee in einer bestimmten Höhe über ihrem Ziel und lässt die Ladung herunter. Am Haken selbst ist eine Messeinheit, auch „das Ei“ genannt, angebracht. Diese Einheit berechnet den zurückgelegten Weg über die Zeit und die Fallgeschwindigkeit, funkt die Daten zur Drohne, bremst das Paket ab und löst dann selbstständig die Verbindung zur Ladung.

© Google - Screenshot

Doch was geschieht, wenn etwas schief geht?

Der Himmel ist zwar nicht so verstopft, wie es die Straßen sind, doch trotzdem können die autonom fliegenden Drohnen immer wieder auf Hindernisse wie Vögel, schlechte Wettereinflüsse, Bäume oder gar andere Drohnen stoßen. Hier liegt noch viel Arbeit vor dem Entwicklerteam, denn mit unvorhersehbaren Ereignissen kommen die kleinen Fluggeräte nicht klar, benötigen menschliche Hilfe. Gerade Stadtgebiete wimmeln geradezu vor Hindernissen wie Ampeln, Stromleitungen oder auch Balkons und unvorhersehbaren Winden. Im äußersten Notfall kann Chickadee die Lieferleine kappen und von dannen fliegen, um Beschädigungen am Fluggerät oder der Umgebung zu vermeiden.

Um eine mehr oder weniger störungsfreie Lieferung zu gewährleisten, müssten Google und andere Drohnenanbieter auch die entsprechenden Gegenden erst einmal in allen Details dreidimensional vermessen. Chris Mellor, Autor für die Zeitung The Register, hat dazu einmal ein kleines Gedankenspiel angestellt und kam zu einem vernichtenden Ergebnis. Zudem könnte die fortschreitende Verbesserung von Lieferdrohnen auch für weniger noble Vorhaben, wie zum Beispiel Drogenschmuggel oder Bombenanschläge genutzt werden. 

Google Drohnen
Screenshot © 2014 Google

Warum Drohnen?

Der Hintergrund für die Arbeit an Project Wing ist zu Anfang sehr ernst gewesen. Das Google X-Team experimentierte mit verschiedenen Lösungen um Defibrillatoren möglichst schnell zu betroffenen Personen in Stadtgebieten zu bringen. Das Team musste jedoch einsehen, dass die Städte die Lösung selbst gefunden haben und Defibrillatoren über das Stadtgebiet verteilten. Deshalb fasste das Team den Entschluss, sich nun der Lieferung von Waren zu widmen. Allerdings hat sich Google noch nicht ganz von der Idee einer lebensrettenden Drohne verabschiedet, denn die Tests in australischen Outback sollen auch dazu dienen die Reichweite der Geräte zu testen, denn gerade in Katastrophenfällen könnte eine Luftbrücke aus Drohnen die wichtige Erstversorgung von Betroffenen sicherstellen.

Außerdem wäre es so möglich Orte oder Personen, die durch klimatische Bedingungen zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten sind, oder in Gegenden ohne feste Straßen leben (zum Beispiel einige Gegenden Alaska oder in Urwaldgebieten) mit dem nötigsten zu versorgen, bis neue Vorräte geliefert werden können.

Ungewöhnliche Ideen und Testorte

Eine der ursprünglichen Ideen des Google X Teams war unter anderem ein Ballon, von dem ein Gleiter abgekoppelt wird, der sich dann auf dem Weg zu seinem Ziel macht. Auch eine ballistische Lösung, also der Abschuss der Ladung aus der Drohne in Richtung Boden und der Einsatz von Fallschirmen, wurden in Betracht gezogen, erwiesen sich aber als zu unpraktisch. Darum griff Google vorerst auf eine Kombination Nurflügler und Heckstarter zurück, ein Konzept, dessen Vorteile in der Reichweite und der Geschwindigkeit liegen, aber aufgrund seiner großen Oberfläche eine entsprechend riesige Angriffsfläche für den Wind bietet. Das Prinzip des Heckstarters erlaubt zudem Landungen auf kleinem Raum, ein Konzept, das auch für echte Flugzeuge erforscht wurde, aber die Piloten extrem überforderte. Da hier aber kein Mensch am Steuer sitzt, sondern ein Computer, ist das Prinzip durchaus vielversprechend.

Im Gegensatz zu Amazon testet Google seine Drohnen übrigens in Australien, da das Land weniger strikte Gesetze für den Drohnenflug besitzt und zudem mehr freie Flächen bietet, auf denen auch über weite Distanzen getestet werden kann.

 

Amazon oder Google? Ein Vergleich der Konzepte

Auch wenn Google leider keine Angaben über die tatsächliche Reichweite und Geschwindigkeit gemacht hatte, hat Mashable einmal eine Gegenüberstellung der Drohnenkonzepte angestellt, wobei allerdings nur die Basisdaten verglichen wurden.

Vergleich Wing Prime
© 2014 Mashable

 

Tatsächlich hat Amazon mit seinem Octocopter in Sachen Manövrierfähigkeit im Schwebebetrieb die Nase vorn, denn die Konstruktion ist weniger windanfällig und erlaubt so auch schwierige Landemanöver, allerdings auf Kosten der theoretischen Reichweite und der Fluggeschwindigkeit.

 

Egal ob Amazon Prime Air oder Googles Chickadee-Drohne, es wird noch Jahre dauern, bis die Lieferung von Waren per Drohne wirklich nutzbar ist, gesetzt dem Fall, dass die Technik und die Forschung so weit sind, einen gefahrlosen Betrieb der fliegenden Boten zu gewährleisten. Zudem müssten die gesetzlichen Bestimmungen zur Nutzung des Luftraums angepasst werden, was sich als sehr schwierig erweisen könnte, denn manche Gebiete wie Flughäfen oder Militärbasen sind einfach kein Überfluggebiet für Drohnen.

 

Es bleibt also abzuwarten, wie sich das Feld der Drohnenlieferung in Zukunft entwickeln wird. Den ersten Schritt Richtung Alltagstauglichkeit macht die DHL: Als eines der ersten Unternehmen überhaupt, wird die Deutsche Post DHL in dieser Woche die Lieferung mit Drohnen unter Alltagsbedingungen testen.

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Geschrieben von Ralf Krämer

Kommentare

#1 Daboshop.de 2014-09-26 12:19
Mir ist ein Mensch als Paketzusteller noch lieber, der mir auch die Pakete an einem trockenem Ort verbringt, als nur vor die Türe zu werfen/legen draußen im freien. Auch die vielen unseriösen Möglichkeiten sind nicht außer acht zu lassen. Alles sehr mechanisiert Since-Fiction in Gegenwart leider. Keine Menschlichkeit mehr. Ich würde diese Dinger am liebsten dann von der Luft runter holen oder schießen wenn mir so ein Spielzeug über dem Kopf schwirrt.
Wie will die Drohne mir das Paket in einen verschlossenen trockenen Raum ablegen, wenn ich nicht vor Ort bin. Das kann nur unser menschlicher Paketservice.



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