Verpackungsknappheit? Teure Anschaffungskosten? Altpapier aus dem Ausland, weil die Rohstoffe knapp werden? In einem Beitrag ist das Pro7-Infotainment-Programm Galileo in die Welt der Verpackungen eingetaucht. Aber die Argumentation wirkt streckenweise nicht ganz stimmig.

Altpapier
© Lisa S. – Shutterstock.com 

„Sie produzieren 24 Stunden ohne Pause – aber die Versandhäuser verlangen immer mehr!“ – mit diesen Worten beginnt der Galileo-Beitrag zum Thema Versandmaterialien und hier könnte man schon Einspruch erheben. Es verbirgt sich zwar keine Falschaussage dahinter, aber dass eine Papier- bzw. Verpackungsfabrik rund um die Uhr produziert, ist kein Zeichen dafür, dass Not am Mann ist. Die gewaltigen Maschinen in diesen Fabriken laufen nun mal durch, wenn sie mal hochgefahren sind. Es sind schließlich keine Geräte, die man mal eben schnell anschaltet und genauso schnell wieder ausschaltet. So laufen die Maschinen in jeder Papierfabrik durchgehend und werden vielleicht mal an Feiertagen runtergefahren.

Trotzdem stimmt die Kernaussage des Galileo-Beitrags sicherlich: Der Bedarf nach Versandmaterialien nimmt immer mehr zu und langfristig zeigt sich auch eine Preissteigerung bei Versandkartons. Als Grund für die Entwicklung sieht das Programm den „boomenden Online-Handel“ – dass dieser schon seit etwa zehn Jahren boomt, sei einmal dahingestellt. Die Einschätzung stimmt ebenfalls. Auch die Post hat schließlich in den letzten Jahren ein immer höheres Paketaufkommen vermerkt, das mit den steigenden Bestellzahlen im Online-Handel zusammenhängt.

Da blutet einem doch das Herz

Doch dann schwenkt Galileo auf den vermeintlichen Irrsinn mit dem Altpapier. Das werde immer knapper, so die Aussage des Beitrags. So knapp, dass es güterzugweise aus dem Ausland rangekarrt werden muss. Auch hier kann man zunächst nicht von Falschmeldungen sprechen. Dass ein knapper Papiermarkt mit als Grund für die Preiserhöhung bei Verpackungsmaterial gilt, schreibt auch der Verpackungshersteller Jenpack. „Inwieweit diese Aussagen verbindlich sind, können wir nur in Frage stellen. Da momentan aber die Altpapieraufkäufer nach Altpapier nachtelefonieren, scheint etwas an der knappen Papiersituation wahr zu sein“, so das Urteil des Herstellers. Trotzdem müsse der Papiermarkt gesamteuropäisch betrachtet werden.

Weitere Gründe für die Preissteigerung bei den Verpackungen? Höhere Strompreise, die sich natürlich auf die energieintensive Papierherstellung niederschlagen. Das fällt bei Galileo aber etwas hinten runter. Das Pro7-Magazin sieht im Altpapier den Hauptverantwortlichen und das Papier als derart kostbares Gut an, dass der Verkaufsleiter der Verpackungsfabrik fast weinend neben der Maschine, die die Kartons zuschneidet, steht und erklärt, dass ihm bei diesem Schritt das Herz blute, da hier „bares Geld“ weggeschnitten werde. Auch das Voice-Over erklärt, dass jedes Gramm Farbe und Papier teuer ist.

Ähnliches dürfte wohl aber auch in einer Stahlfabrik gelten. Wer etwas aus einer Stahlplatte stanzt, verliert ja schließlich auch wichtige Rohstoffe. Aber genau wie in einer Stahlfabrik wird auch in der Papierfabrik das verlorene Material direkt wieder in die Produktionskette geführt und wiederverwertet. Das ist doch aber auch nur der logische Schritt, dass die Fabrik die Papierschnipsel nicht wegwirft, denn die würden wo landen? Genau, im Altpapier. Also lass ich das Ganze doch direkt in meinem Produktionszyklus.

Ein Euro pro Verpackung? Humbug!

Dann ist da natürlich die Frage, wie viel der Online-Händler für das Verpackungsmaterial zahlt. Denn die Grundfrage des Beitrags ist schließlich, ob sich bald die Versandkosten erhöhen könnten, da die Preise enorm steigen – und der Händler das schließlich kompensieren muss. Da wirft Galileo die Zahl in den Raum, dass Amazon einen Euro für eine Verpackung aus brauner Wellpappe zahle. Bunt bedruckte Verpackungen sollen mit zwei Euro zu Buche schlagen. Wer sich aber im Internet bei einigen Shops umguckt, die Verpackungsmaterial verkaufen, sieht derartige Preise nicht. Smileypack etwa bietet Kartonagen zu einem Stückpreis ab 0,53 Euro – und das bei niedriger Bestellmenge. Wer 3.900 Kartons kauft, kriegt die schon ab 0,16 Euro. Andere Anbieter haben ganz ähnliche Preise. Einen Preis von einem Euro sieht man quasi nie – dass gerade Amazon das pro Karton bezahlt, ist damit mehr als unwahrscheinlich.

Dass die Preise für Verpackungen steigen und der Bedarf nach Papier und Verpackungsmaterial immer größer wird, stimmt durchaus. Doch die emotionale Aufarbeitung durch Galileo liegt so manches Mal mehr als daneben. Und übrigens: Wenn man das Altpapier zum möglichen neuen Gold ausruft, sollte man vielleicht nicht jemanden einen doch so wertvollen Karton aufklappen, zukleben und wieder aufreißen lassen. Das gute Geld...

 

/ Geschrieben von Michael Pohlgeers




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