In der Corona-Pandemie wuchs die Zahl der Online-Bestellungen und damit die Notwendigkeit der Zustellung. Doch welche Lieferunternehmen leisten was? 

Fahrradkurier mit Lastenrad
Giacomo Pratellesi / Shutterstock.com

Immer schneller, aber auch nachhaltig und lokal – die Anforderungen an die Zustellung von Waren haben sich angesichts der neuen Herausforderungen der globalen Corona-Pandemie langfristig verändert. Insbesondere in den urbanen Räumen kamen immer mehr Express-Lieferdienste hinzu. Am bekanntesten sind sicher Flink, Getir, Gorillas und Wolt – sie haben sich längst im E-Food-Sektor etabliert und bringen den Wocheneinkauf innerhalb von wenigen Minuten nach Hause. 

Doch auch abseits dieser typischen Dienste für den Online-Lebensmittelhandel gibt es zahlreiche Lieferfirmen, die es Händlern erleichtern sollen, online verkaufte Waren schneller auszuliefern oder andere Lieferkonzepte in petto haben – und dabei erfolgen die Zustellungen in der Regel emissionsfrei und/oder ressourcenschonend. 

Wir geben einen Überblick über das wachsende Angebot am Markt und stellen nachfolgend einige Dienste vor.

Angel bringt’s: Ressourcenschonend auf der Letzten Meile

Der Abhol- und Kurierdienst Angel bringt’s hat seinen Sitz in Greven – ebenso wie der bekannte Logistikdienstleister Fiege, der sich mit eben diesem Projekt 2017 in die City-Logistik gewagt hat. Statt eigener Fahrzeuge werden freie und bislang ungenutzte Kapazitäten lokaler Lieferpartner und Logistiker genutzt.

Eine IT-Plattform verknüpft dies mit der passenden Tourenplanung. Mit einer mobilen App werden die Zustellerinnen und Zusteller durch den Auslieferungsprozess geleitet. Mit diesem ressourcenschonenden und kooperativen Logistikkonzept für die Letzte Meile werden Same-Day-Lieferungen für Apotheken, Lebensmitteleinkäufe, die Elektrobranche und für den lokalen Handel realisiert – zum Wunschtermin.

Verfügbar sind die Services des Unternehmens schon in einigen deutschen Städten, darunter etwa Berlin, Bremen, Dresden, Hamburg, Frankfurt, Leipzig oder Stuttgart. Unter anderem realisiert Fiege mit dem Lieferdienst derzeit auch verstärkt Lieferservices für die Händlerplattform Shopdaheim.

Grüner Quick Commerce: Alpakas aus Berlin

Alpakas Lastenrad
Alpakas

Das grünere Gorillas – so wird das Liefer-StartUp Alpakas aus Berlin auch genannt. Gegründet wurde das Unternehmen erst im Oktober des letzten Jahres, von Antony Roczek, Tomy Eitner und Simon Chorzelski. 

Anders als typische E-Food-Anbieter liefert Alpakas Waren in nachhaltigeren Verpackungen aus, also beispielsweise in Mehrweggläsern, Jutebeuteln oder kompostierbaren Verpackungen. Möglich ist das, in dem Waren aus Großgebinden passend abgefüllt werden – ähnlich wie in Unverpackt-Läden, nur eben prompt geliefert per Lastenrad. Erst im Februar sicherte sich der Zero-Waste-Lieferdienst frisches Kapital in Höhe von fünf Millionen Euro, unter anderem von Vorwerk Ventures.  

Bringly: Kurierservice für lokale Geschäfte

Nachhaltig geht es auch bei dem StartUp Bringly aus Amsterdam zu. Die Niederländer bieten für Händler die Lieferung von Waren direkt aus dem Laden an. Dazu verfügt die seit 2019 bestehende Versandplattform über ein eigenes Zustellnetzwerk und Lieferpartner – per Algorithmus wird eine Auswahl getroffen, was gerade die schnellste, günstigste und nachhaltigste Zustelloption ist. Für die Lieferung sind Lastenräder und E-Autos im Einsatz.

The Body Shop, Rituals oder Scotch & Soda nutzen Bringly bereits, seit März dabei ist auch Media Markt in den Benelux-Ländern. Anfang dieses Jahres gab der Logistikdienst bekannt, seinen Service auf weitere deutsche Städte ausweiten zu wollen – bislang verfügbar ist Bringly in Hamburg, Berlin und München. 

Fairsenden – flexible Zustelloptionen für den E-Commerce

E-Cargobikes, Bild: Fairsenden
Fairsenden

Das Paket bekommen, wenn man tatsächlich zu Hause ist – dieses Versprechen gibt Fairsenden. So sollen Kundinnen und Kunden bereits beim Check-out im Online-Shop das passende Zeitfenster für die Zustellung auswählen können – und die Zustellung erfolge anschließend mit einer überdurchschnittlich hohen Zuverlässigkeit. Möglich sei das durch eine konsequente Vernetzung zwischen den eigenen City Hubs, Micro Hubs sowie den Händlern und Empfängern, erklärt das Unternehmen auf der Website. Es ist seit 2019 am Markt und wurde von Markus Schwarz ins Leben gerufen: „Die Logistikbranche tut sich schwer, schnell neue nachhaltige Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Wir wollen zeigen, dass es nicht erst in fünf oder zehn Jahren möglich ist, sondern schon heute für uns selbstverständlich ist“, erklärte er im Interview

Namhafte Kunden sind beispielsweise die Re-Commerce-Plattform Rebuy, das nachhaltige Sockenlabel Snocks, in das Joko Winterscheidt investiert hat, oder der Online-Shop für gerettetes Bio-Gemüse etepetete. 

Farmy – Schweizer Dienst liefert für Alnatura

Farmy ist eigentlich ein Online-Supermarkt aus der Schweiz – und bietet „für den transparenten Wocheneinkauf direkt vom Produzenten“ schweizweit Express-Lieferungen an. Allerdings soll das Unternehmen nun offenbar auch hierzulande für Alnatura in Berlin und Frankfurt am Main liefern, wie Supermarktblog kürzlich berichtete. Farmy stellt für die hessische Biokette die Software, also ein komplettes Front- und Backend für deren Online-Shop, sowie Werkzeuge zur Kommissionierung, Auslieferung und Tourenplanung bereit. 

Bio-Lebensmittel in Pfandbehältern mit Flying Emma

Flying Emma stammt aus dem Berliner Wedding, wurde im Herbst 2020 gegründet und hieß eigentlich erstmal Fandli. Der Lieferdienst hat ein ähnliches Konzept wie Alpakas gestartet – Lebensmittel-Lieferungen ohne Verpackungsmüll, in diesem Fall aber nach dem Pfand-Prinzip. So werden für den Transport Pfandgläser und -flaschen genutzt sowie Taschen, da man auf Einwegtüten verzichten will. Für die Pfandgefäße wird entsprechend vorab gezahlt, zurückgegeben werden können sie beim nächsten Einkauf – wer nicht nochmal bestellen will, kann sie abholen lassen. Es gibt keinen Mindestbestellwert, ab einem Warenwert von 25 Euro sind die Lieferungen aber kostenlos. Das Unternehmen ist biozertifiziert, bietet also Bio-Lebensmittel, und auch Körperpflegeprodukte. 

Glocally: Regionaler liefern für Online-Händler

Nachhaltige und schnelle Lieferungen im E-Commerce – das verspricht das Münchener Jungunternehmen Glocally. Die Idee zum StartUp entstand Ende 2020: „Als mein H&M Paket erst nach sechs Werktagen nach der Bestellung bei mir in München ankam, war die Versandadresse ein Warenlager in Warschau, Polen. Ich habe mich gewundert, warum die Hose und der Pulli erst durch halb Europa transportiert werden, wenn in München selbst die gleichen Produkte in den Läden eigentlich vor Ort sind. Wenn man auf die Produkte lokal zugreifen könnte, würde die Lieferung nämlich schneller und vor allem nachhaltiger ablaufen“, sagte Gründer Fabian Warmdt im Interview mit dem Münchener Portal Mucbook, der kurz nach dieser Erfahrung mit Philip Brinkmann und Felix Steinbrenner das StartUp ins Leben rief. 

Das Unternehmen hält Ship-from-Store-Lösungen – also die Lieferung aus stationären Geschäften – sowie Lieferungen vom Warenlager, aber auch Retourenservices parat. Die Zustellung könne sogar teils innerhalb von zwei Stunden realisiert werden, aber auch andere Optionen sind wählbar. Das Angebot könne ins E-Commerce-Systeme integriert werden, über ein Dashboard können Händler die Lieferungen verfolgen.  

 
 
 
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Prominenter Nutzer von Glocally ist seit Anfang dieses Jahres beispielsweise Decathlon, der im ersten Schritt Online-Bestellungen im Raum München ausliefert.  

Karla setzt auf Kommunikation

Einen innovativen Ansatz rund um den Zustellprozess verfolgt Karla. „Wir sind hier, um das gesamte Liefererlebnis neu zu gestalten und die Plattform Nr. 1 zu schaffen, die die Zustellung für alle zum Vergnügen macht“, lautet das Versprechen des Berliner Unternehmens. Auch hier liegt der Firmengründung – ähnlich wie bei Glocally – eine persönliche Geschichte zugrunde: „Einmal habe ich mir eine Matratze bestellt. Weil die Lieferadresse aber nicht stimmte und ich sie nachträglich auch nicht mehr ändern konnte, musste ich drei Wochen auf der Couch schlafen“, berichtet laut Gründerszene Frederik Schröder, der das StartUp gemeinsam mit Philippe Padrock ins Leben rief.

Ende Februar sicherte sich Karla in einer Pre-Seed-Finanzierungsrunde satte 3,4 Millionen Euro – zu den Investoren zählen 468 Capital und La Famiglia, Flixbus-Gründer Jochen Engert, Flink-Gründer Oliver Merkel und Florian Gschwandtner, Erfinder der Lauf-App Runtastic. Der Service soll Händler rund um den Paketempfang unterstützen: Die Software lässt sich direkt an Online-Shops anbinden und übermittelt Versanddaten automatisch an Karla, die dann die passende Zustell-Lösung finden. Realisiert werden soll das beispielsweise mittels freier Kapazitäten in den Verteilzentren von Flink oder Flaschenpost oder von Uber-Fahrern.

Liefergrün: Nachhaltige Option für große und kleine Shops 

Das 2020 gegründete StartUp Liefergrün bietet Versandlösungen für den E-Commerce und Ship-from-Store an. Dabei setzt die junge Firma von  Niklas Tauch, Max Schleper und Robin Wingenbach  aus der Fahrradstadt Münster auf emissionsfreie, faire und soziale Zustellung per Lastenrad, klassischem Fahrrad und E-Vans. Geliefert wird aktuell schon in 17 der 25 größten deutschen Städte – bekannte Handelspartner sind Adidas und Dyson. 

„Langfristig soll Liefergrün die nachhaltige Versandoption für jeden Online-Shop sein - ob groß oder klein“, hieß es in einer kürzlich veröffentlichen Mitteilung. Um dies zu erreichen, holte das StartUp sich namhafte Unterstützung: Seit dem 1. Mai leitet Stephan Böhm, ehemaliger Regionalvertriebsleiter Deutschland Nord/Ost von Hermes, den Vertrieb. „Das heutige Logistiksystem stößt an die Grenzen seiner Lieferkapazität und wir müssen konsequenter auf der letzten Meile agieren. Das bedeutet, Emissionen komplett vermeiden, statt sie lediglich zu kompensieren. Dazu müssen wir aber auch das Bewusstsein der Kund*innen in diesem Bereich schärfen, damit sie sich für emissionsfreie Versandmethoden entscheiden. Flexible Lieferoptionen, wie die späte Paketannahme oder die Next-Day-Zustellung, helfen uns dabei, genau dieses Ziel zu erreichen. Deutschland ist in dieser Hinsicht der größte Markt in Europa und ein klarer Fokus für unsere Vertriebsstrategie. Deutsche Innenstädte sollen in Zukunft nur noch nachhaltig beliefert werden", sagte er zum Antritt seiner neuen Position.  

Im Angebot hat das Unternehmen „superschnelle Next-Day Lieferungen“, die seit der Pandemie gefragter denn je seien – das gilt beispielsweise für Artikel aus den Bereichen Fashion oder Sport&Outdoor. Um Retouren einfacher zu gestalten, gibt es Abhol-Lösungen. Dadurch falle auch die Rückgabezeit kürzer aus, heißt es. Für die Lieferung von Elektro-Produkten werden zudem spezielle Versicherungsoptionen angeboten.

Pickshare – alter Hase, frisches Konzept

Pickshare-Lieferrad für DM in Berlin
dm-drogerie markt/Andreas Müller

Der nachhaltige Versanddienst Pickshare ist im Vergleich zu vielen anderen hier vorgestellten Liefer-StartUps schon fast ein alter Hase: 2015 wurde das Dortmunder Unternehmen von Björn Marc Paulus gegründet, 2017 beteiligte sich die damals junge Firma am Forschungsprojekt SMile, für eine Smart Last-Mile Logistik in urbanen und ländlichen Räumen des Bundesministeriums für Wirtschaft – und wurde anschließend auf Basis offener Standards entwickelt, 2020 testete das Unternehmen dann den Live-Betrieb.

Pickshare liefert ein Gesamtsystem als White-Label – also im Look & Feel der jeweiligen Händler, die dabei auch von einer automatisierten Tourenplanung und Disposition profitieren können. Ein prominenter Test- und Lieferpartner ist DM. Inzwischen realisiert die Drogeriekette gemeinsam mit Pickshare Express-Lieferungen für online bestellte Waren aus den eigenen Filialen auch in Berlin, München und Wien. 

Nachhaltige Express-Lieferungen verändern den Markt

Die Aufzählung all der jungen Lieferdienste ist selbstredend nicht abschließend, es ist sogar erwartbar, dass weitere Dienste hinzukommen. Die Pandemie und die damit im Zusammenhang stehenden Express-Lebensmittellieferungen haben die Bedürfnisse zu Lieferzeiten bereits beeinflusst: Studien zeigen etwa, dass vor allem jüngere Leute immer öfter eine Lieferung binnen weniger Stunden erwarten. Gleichsam gewinnen die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit allerorten an Bedeutung. Die Nutzung solcher Lieferpartner für schnelle, grüne Zustellungen, die den lokalen Handel stärken, dürfte also längst als Wettbewerbsvorteil gelten. 

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Geschrieben von Hanna Behn