Ein mit Käse beladener Laster verunglückt und ein Polizist greift zu. Es wird verurteilt und wieder freigesprochen – und nun wurde der Freispruch wieder aufgehoben. Was passiert hier?

Auto aus Käse auf Teller
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Um einen LKW, mindestens 120 Kilo Käse und einen Polizisten ging es kürzlich in einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken (Urteil v. 11.7.2022, Az. 1 OLG Ss 7/22). Der Beamte hatte sich aus dem verunfallten Sattelschlepper einen kleinen Teil der geladenen Ware geben lassen, anschließend zur Wache transportiert sowie teilweise zum Verzehr zur Verfügung gestellt. Vom Amtsgericht war der Beamte wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Auf seine Berufung hin wurde er dann freigesprochen. Dann allerdings legte die Staatsanwaltschaft Revision ein – mit der Folge, dass der Freispruch jetzt aufgehoben wurde und die Sache an eine andere Kammer zurückverwiesen wird.

Der Fall: Ein Käse-Laster hat einen Unfall

Der kuriose Vorfall ereignet sich Mitte 2019: Ein mit 1.100 20-kg-Kartons beladener Sattelzug verunglückt, der Fahrer wird verletzt und in ein Krankenhaus gebracht. Der Kühlcontainer, in dem sich die Ware befindet, brach infolge des Unfalls auf, einige Käsekartons liegen auf der Straße. Soweit die Situation. Nachdem die Sicherungsmaßnahmen abgeschlossen waren, fährt der Angeklagte, ein Polizeibeamter der Polizeiautobahnstation, mit einer Kollegin in einem Polizeitransporter in die Nähe des Sattelschleppers. Hier fordert er einen Mitarbeiter des Unternehmens, das mit der Bergung beauftragt ist, nach den Feststellungen des Gerichts auf, ihm mehrere der Kartons zu geben, die sich noch im Kühlcontainer befinden und unbeschädigt sind. Mindestens sechs sind es an der Zahl, mit einem Gesamtwert von 369 Euro. Die Kollegin des Polizisten verstaut diese im Polizeitransporter, mit dem der Angeklagte dann zurück zur Wache fährt. Während des gesamten Geschehens trägt er seine mit Munition geladene Dienstwaffe mit sich.

Zwei der Kartons stellt der Angeklagte seinen Kollegen in einem Sozialraum zum Verzehr zur Verfügung, einen weiteren überlässt er der Kollegin, die ihn begleitet hat. Der Verbleib der übrigen Kartons kann nicht aufgeklärt werden, heißt es im Urteilstext. Einige Tage darauf verfügt die Eigentümerin der Ware die Vernichtung des beschädigten Anteils der Ware, während ein anderer Teil noch veräußert werden konnte.

Ritt durch die Instanzen: Darf man sich an verunfallter Ware bedienen?

Das zunächst mit der Sache befasste Amtsgericht verurteilt den Beamten zu einer Geldstrafe wegen Diebstahls mit Waffen und ordnet die Einziehung ein. Dagegen legte der Betroffene Berufung ein und wurde freigesprochen: Die entscheidende Kammer des Landgerichts meint zwar ebenfalls, dass die objektiven Merkmale des Diebstahltatbestands erfüllt sind und stellt auch fest, dass der Angeklagte insofern vorsätzlich gehandelt hat. Sie sieht aber auch einen sogenannten Tatbestandsirrtum, der dazu führt, dass der Vorsatz des Täters ausgeschlossen wird und damit in diesem Fall auch die Strafbarkeit entfällt.

Was bedeutet das? Bei einem Tatbestandsirrtum irrt der Täter darüber, was er tut. Ein klassisches Beispiel ist der Jäger, der davon ausgeht, dass er einen Hirsch erschießt, tatsächlich ist es aber ein anderer Jäger. Tragfähig wäre das natürlich kaum, wenn der Jäger wahrgenommen hat, dass „der Hirsch“ eine Warnweste und ein Gewehr trägt.

Hier, so das Landgericht, habe der Angeklagte über die Rechtswidrigkeit der Zueignung geirrt: Er habe während des gesamten Geschehens nicht damit gerechnet und auch nicht billigend in Kauf genommen, entgegen dem Willen der Eigentümerin zu handeln. Vielmehr habe er sein Verhalten aufgrund einer mutmaßlichen Einwilligung für straffrei gehalten. Nach den Feststellungen des Landgerichts war er davon ausgegangen, dass die Eigentümerin kein Interesse an der Ware mehr habe, da die Kühlkette unterbrochen war und die Ware aufgrund des warmen Wetters schnell verderben würde. Er ging also von einem hypothetischen Einverständnis der Eigentümerin mit seinem Handeln aus, da die Ware für sie wertlos sei. Das hielt das Landgericht für nachvollziehbar und überzeugend.

Revision: OLG Zweibrücken sieht die Sache anders

Das Oberlandesgericht Zweibrücken kommt allerdings zu einer anderen Bewertung als das Landgericht, und zieht hierbei Parallelen zum sogenannten Containern (bspw. das Mitnehmen von Lebensmitteln aus den Abfallcontainern von Supermärkten). Es ist der Ansicht, dass die Feststellungen, die das Landgericht zum Vorstellungsbild des Angeklagten getroffen hat, keinen Tatbestandsirrtum belegen. Das hatte die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung der Eigentümerin ja wegen der schnellen Verderblichkeit für nachvollziehbar gehalten. Der wirtschaftliche Wert spielt laut OLG aber gar keine entscheidende Rolle für die tatbestandliche Wegnahme.

Die strafrechtliche Norm schütze – mit Blick auf die Entscheidung des BVerfG zum Containern – den Eigentümer vor einem unberechtigten Eingriff in dessen Recht, über sein Eigentum frei zu verfügen, und das grundsätzlich unabhängig von dessen wirtschaftlichem Wert. Dementsprechend könne man ein mutmaßliches Einverständnis des Eigentümers auch nicht allein auf die Annahme stützen, es bestehe kein wirtschaftliches Interesse an der Sache. Vielmehr komme ein Ausschluss des Vorsatzes wegen eines Tatbestandsirrtums insofern nur infrage, wenn die Eigentümerin nach den Vorstellungen des Täters wirklich gar kein Interesse mehr daran hat, über die konkrete Verwendung der Sache zu entscheiden.

Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung? Nicht unter diesen bekannten Umständen

Hier kommt ins Spiel, dass der Angeklagte nach den Feststellungen des Gerichts wusste, dass die Ware noch von einem sogenannten Havariekommissar kontrolliert werden sollte. Dieser prüft die Ware und gibt Empfehlungen zur weiteren Verwendung oder auch Vernichtung der Ware ab. Mit dieser Tatsache sei die Annahme des Angeklagten nicht vereinbar, dass die Eigentümerin auch schon vor dieser Prüfung der Mitnahme sicher zugestimmt hätte, oder zumindest keinen Wert darauf gelegt hätte, vor dem Mitnehmen gefragt zu werden. Vielmehr habe die Eigentümerin der Ware ersichtlich durchaus ein Interesse daran gehabt, dass die Ware zunächst vollständig gesichtet und dann nach den Empfehlungen des Havariekommissars verwendet wird. Schließlich könnten sich für sie Haftungsrisiken ergeben, wenn Teile der Ware unkontrolliert in den Verkehr gebracht werden. Auch müsse bedacht werden, dass die Eigentümerin womöglich Obliegenheiten gegenüber einem Transportversicherer erfüllen muss, etwa mit Blick auf Beweissicherung und Restwertbestimmung, und eine Verletzung dieser Obliegenheiten dazu führen kann, dass die Versicherungsleistung ausfällt. Davon ab habe die Eigentümerin ihr Interesse auch deutlich gemacht, indem sie den Havariekommissar einschaltete. Dies entspreche mit Blick auf das Containern insofern dem Absperren eines Containers mit nicht mehr verkaufsfähigen Lebensmitteln.

Das OLG kommt zu dem Schluss, dass dem angeklagten Beamten nach den getroffenen Feststellungen diese objektiven Umstände, die ein fortbestehendes Interesse der Eigentümerin verdeutlichten, vollständig bekannt waren. „Sollte er sein Handeln gleichwohl für straffrei gehalten haben, würde dies lediglich einen Verbotsirrtum begründen, der den Vorsatz unberührt lässt“, heißt es weiter. Die Sache bedürfe daher insgesamt einer erneuten Verhandlung und Entscheidung.

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Geschrieben von Melvin Louis Dreyer