Wie lässt sich Versand ökologischer gestalten – und worauf kommt es an? Im Gastbeitrag gibt Jeroen Gehlen von der Versandplattform Wuunder Online-Shops fünf Tipps.

Nachhaltiger Versand per Fahrradkurier (Symbolbild)
Nachhaltiger Versand per Lastenrad (Symbolbild) | Giacomo Pratellesi / Shutterstock.com

Morgens, mittags, abends – egal zu welcher Tageszeit, in deutschen Großstädten beherrscht ein Bild die Straßenlandschaft: Lieferfahrzeuge von DHL, UPS, Hermes & Co. stehen am Straßenrand oder auf Radwegen und Lieferant*innen stehen mit ihren Sackkarren vor den Eingängen, um die zahlreichen Pakete an die Bewohner*innen auszuliefern. Mit der zeitweise Schließung des Einzelhandels aufgrund der Corona-Pandemie stieg das Versandaufkommen besonders um die Festtage herum nochmals an: So haben die Paketdienste im November und Dezember 2021 rund 785 Mio. Kurier-, Express- und Paketsendungen (KEP) transportiert. Und auch als die Läden wieder öffneten, sind die Gewohnheit und Bequemlichkeit geblieben, die Online-Bestellungen mit sich bringen. 2021 verzeichnete der Onlinehandel in Deutschland einen Umsatz mit Waren in Höhe von rund 99,1 Milliarden Euro, zum Vorjahr ist der Umsatz damit um knapp 19 Prozent gestiegen, zeigen Daten des BEVH/Statista.

Das führte zu einer wachsenden Anzahl an Lieferfahrzeugen und Logistikzentren – Shops und Dienstleister sind häufig überfordert, um mit dem Ansturm umzugehen. Dazu kommen ein ansteigendes Retourenaufkommen und die große Frage: Geht das eigentlich auch nachhaltig(er)? Was können E-Commerce Shops konkret tun, um den Versand für sich und ihre Kund*innen ökologischer zu gestalten?

1. Auf den Inhalt kommt es häufig nicht an

Jede Online-Käufer*in kennt es: Der Karton, in dem das bestellte Produkt geliefert wird, ist um ein Vielfaches größer als das Produkt selbst. Der Rest besteht aus Luft und Füllmaterial wie zerknülltes Papier oder sogar Plastik. So entsteht schnell ein riesiger Abfallberg bei jeder Online-Bestellung. Kann man oder genauer gesagt der Shop das nicht anders machen? 

Für die Größe der Kartons gibt es verschiedene Gründe: Sie dient meistens als Schutz, weil die Pakete über mehrere Zwischenstationen geliefert werden. Shops wollen am Ende sicherstellen, dass die Ware unversehrt ankommt. Die niederländische Internetbuchhandlung Bol.com hat etwa vor kurzem eine neue Maschine in Betrieb genommen, welche Kartons um die Produkte herum faltet und so maßgeschneidert auf die richtige Größe bringt. Auf diese Weise verpackt die Handlung weniger Luft und verbraucht nur so viel Füll- und Verpackungsmaterial wie wirklich nötig. Die beste und kostengünstigste Alternative wäre jedoch auf Mehrwegverpackungen zurückzugreifen.

Einige größere Händler probieren diese Methode bereits aus. Otto, Tchibo und Avocadostore sind beispielsweise seit Sommer 2020 Teil eines vom Bundesforschungsministerium geförderten Projektes, welches Mehrweg-Versandtaschen des finnischen Startups RePack nutzt. Diese können bis zu 20-mal wiederverwendet werden und die Rückgabe erfolgt entweder Über Hermes-Shops oder einfach im Briefkasten. Eine erste Auswertung ergab zwar, dass zwei Drittel der Teilnehmer die Versandtaschen zurücksendeten, doch die Rücksendequote nicht für den flächendeckenden Einsatz reichte. Es bleibt zu hoffen, dass es mehr Projekte dieser Art geben wird, sie in der breiten Masse ankommen und es dann auch auf kleinere Shops ausgeweitet werden kann. Die Kosten würden sich langfristig verringern, je mehr Kunden benutztes Verpackungsmaterial wieder zurückgeben.

2. Kürzere Wege sind das Ziel

Um langfristig auf die unnötige Luft und den Verpackungsmüll zu verzichten, müsste man die Organisation der Vertriebskette verändern. Zunächst einmal sind Paketlieferungen nicht per se umweltunfreundlich. Ein Lieferwagen kann auf einer Fahrt etwa zweihundert Pakete transportieren. Das verursacht weniger CO2-Emissionen, als wenn hundert Kund*innen mit dem Auto zum Einkaufen fahren. Der Versand per Lieferwagen und alle damit verbundenen Transportbewegungen sind also nachhaltiger. Doch es fühlt sich nicht so an. Das liegt vor allem daran, dass mehrere Zusteller dieselbe Straße anfahren, und zwar oft mehrmals am Tag, um jeweils einige wenige Pakete zuzustellen. Das ist Ineffizienz par excellence. 

Um ein Paket auszuliefern, sind extrem viele Transportbewegungen erforderlich. Vom Hersteller gelangt das Produkt zunächst in das Zentrallager des Einzelhändlers. Von da wird es von einem Paketzusteller abgeholt, der es in sein eigenes Verteilzentrum bringt. Dort wird es sortiert und in großen Mengen in die Zustellregion transportiert. Danach wird es oft noch einmal sortiert und in kleinere Transporter umgeladen. Diese fahren zur Zustelladresse, laden die Kartons auf einen Wagen und liefern sie an den Kunden. Doch man könnte stattdessen einfach kleine Mengen von Produkten in dezentralen Lagern organisieren und in der reinen Produktverpackung und ohne zusätzliche äußere Verpackung per Fahrradkurier ausliefern.

Das größte Problem für Shops ist es jedoch, diese lokalen Fahrradkuriere zu finden bzw. einen entsprechenden Versandanbieter, der eine derartige Option im Check-out überhaupt zur Verfügung stellt. Zwar kann man mittlerweile bei den meisten Händlern angeben, möglichst nachhaltig zu versenden, am Ende entscheidet jedoch der Versanddienstleister selbst. Häufig sind Fahrradkuriere aufgrund von Zentrallagern und -betrieben erst gar nicht verfügbar. Hier lautet mein Tipp für den Shop, sich umzusehen, ob große Versanddienstleister mit technologischen Partnerunternehmen zusammenarbeiten – wie beispielsweise GLS – und damit einen nachhaltigeren Versand gewährleisten können. 

3. CO2-Fußabdruck für Kund*innen verringern

Doch wie könnte das mit dezentralen Lagern, den sogenannten City Fulfillment Centern klappen? Die Gorillas machen dies mittlerweile ziemlich erfolgreich vor und leben genau nach diesem Prinzip: Kleine Lager, die verteilt in Großstädten liegen und von dort schnell und ohne großen Verpackungsmüll liefern können – und das mit dem Fahrrad. 

Über diese City Fulfillment Center kann ein Produkt in kurzer Zeit geliefert werden, denn die Wege sind kurz. Zudem ist die Gefahr von Schäden, Verzögerungen oder Verlusten wesentlich geringer. Auch eine ungewollte Bestellung kann auf diese Art unkomplizierter zurückgegeben werden. Und vor allem gibt es weniger Leerfahrten, denn Zwischenlager entfallen und somit auch unnötige Transportwege. Das hat zur Folge, dass weniger LKW und Transporter unterwegs sind, was zu weniger Staus und einer enormen Einsparung von CO2-Emissionen führt. Beim Versand vom E-Commerce-Shop wird dann direkt nachgesehen, ob die Ware in einem naheliegenden City Fulfillment Center vorhanden ist und schneller geliefert werden kann.

4. Masse oder Klasse

Der wichtigste Punkt bei der lokalen Auslieferung ist jedoch, dass diese in Form einer Rundfahrt erfolgen sollte, bei der mehrere Kunden beliefert werden – und nicht wie etwa bei Gorillas mit dem Fahrrad jede*r Kund*in einzeln beliefert wird. Einzelne Produkte haben immer noch den größten negativen ökologischen Fußabdruck, selbst wenn sie mit dem Fahrrad geliefert werden. 

Warum also nicht einfach als Einzelhändler Anreize schaffen, dass Bestellungen mit anderen Einzelhändlern für denselben Kunden kombiniert werden? Dies würde die Kosten für den teuersten Teil der Lieferkette senken. Es ist zudem im Sinne der Kund*innen, weil sie nur eine Lieferung bekommen. 

5. Abstimmung von Lieferterminen und -zeiten zur Vermeidung von Lieferausfällen

Viele Lieferungen klappen nicht beim ersten Zustellversuch, daher sollten kleinere Unternehmen mit ihren Kund*innen kommunizieren, wie man besser zusammenkommen kann. Beispielsweise durch die Möglichkeit, einen bestimmten Zeitrahmen auszuwählen, anstatt nur das Pakettracking anzuwenden: Dieses gibt Gewissheit, ob man zum Lieferzeitpunkt zu Hause ist und lässt ggf. die Option, andere Abstellmöglichkeiten anzugeben. Oder aber auch über Click & Collect, welches den Kund*innen ermöglicht, die Ware direkt im Laden abzuholen. Das klappt natürlich nur, wenn die Kund*in sich in der Nähe befindet, andere Besorgungen in der gleichen Gegend oder zumindest in Reichweite des Ladens zu erledigen hat. Viele wissen häufig gar nicht von der Option oder setzen sich wenig damit auseinander, von wo aus sie bestellen. Gibt es die Option und kann die Kund*in dadurch Versandkosten sparen, wählen viele mittlerweile gern diese Option: 44 Prozent der Internetnutzer*innen geben einer HDE-Umfrage zufolge an, diesen Service 2020 mindestens einmal genutzt zu haben. 

Blickt man derzeit auf die gesamte Logistikbranche, so ist diese im großen Umbruch: Zum einen hat Corona vieles verändert und das Aufkommen von Online-Bestellungen massiv erhöht und zum anderen hat der Nachhaltigkeitsgedanke bei vielen Menschen Fuß gefasst. Nun müssen beide Seiten nur noch zusammenkommen, um mittelfristig für kürzere Lieferketten und weniger Retouren zu sorgen. Das führt im besten Fall nicht nur zu weniger Lieferfahrzeugen auf den Straßen, sondern letztendlich auch zu geringerem Stress für Paketboten und E-Commerce Shops. 

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Jeroen Gehlen / Wuunder
Jeroen Gehlen / Wuunder

Über den Autor

Jeroen Gehlen ist Mitgründer des Versanddienstleisters Wuunder, einem Transportmanagement-Service für Sendungen weltweit.

Gehen kann auf über 20 Jahre Erfahrung im Bereich Versand und Logistik zurückblicken. Zuvor war er bei TNT/FedEx als Global Director Pick-up & Delivery Optimization and Innovation tätig.

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Geschrieben von Gastautor