Zustellungen per Lastenrad haben im Zuge der Corona-Pandemie deutlich an Bedeutung gewonnen. Der Markt ist noch klein, doch das Interesse wächst. 

Fahrradkurier mit Lastenrad
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Zur Radlogistik zählen Anbieter, die Waren transportieren bzw. Logistikdienstleistungen anbieten, Hersteller, Dienstleister und Händler sowie Forscher und Entwickler. Der Sektor ist mit rund 2.600 Beschäftigten noch überschaubar: Der gesamte Umsatz dieser Branche belief sich hierzulande im vergangenen Jahr auf etwa 76 Millionen Euro. „Im Vergleich zu anderen Mobilitätsbranchen ist dies noch mikroskopisch“, erklärt der seit 2018 bestehende Radlogistik Verband Deutschland e.V., der erstmals die Situation der Branche systematisch erfasst und einen Branchenreport veröffentlicht hat. „Alle in dem Markt tätigen kann man noch mit Recht als echte Pioniere bezeichnen“. 

Coronabedingt ist das Interesse an einer Zustellung per Lastenrad allerdings gewachsen, stellt der Branchenverband mit Blick auf die Produktionszahlen heraus: 2020 wurden ca. 10.100 Lastenräder und Anhänger für vorwiegend gewerbliche Nutzungen produziert, auf dem europäischen Markt sollen etwa 44.000 Lastenrädern der deutschen Hersteller verkauft worden sein. Etwa drei Viertel der produzierten Lastenräder bzw. Anhänger wurden von gewerblichen Kunden genutzt, allein 71 Prozent davon im KEP-Sektor. Für 2021 rechnen die Hersteller mit einem Zuwachs ihres Absatzvolumens.  

KEP-Dienstleister und Online-Händler setzen verstärkt auf Radlogistik

DPD, DHL, GLS Hermes und UPS haben unterschiedliche Cargo-Bikes getestet bzw. diese seit mehreren Jahren im Einsatz  – unter anderem, um selbstgesteckte Ziele zur Reduktion von Emissionen zu erreichen und klimaschonender zu liefern. In Berlin wurde 2018 etwa auch ein anbieterübergreifendes Mikrodepot inklusive Zustellung per Lastenfahrrad getestet. DPD hatte basierend auf den Projekterfahrungen Anfang des Jahres dann ein eigenes Depot gestartet, von dem aus der Logistiker weiterhin per Rad in einige Bezirke der Bundeshauptstadt liefert. 

Auch Zalando probiert derzeit diese Zustellvariante im Rahmen der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie in den Niederlanden aus: Zusammen mit Lastenradlogistiker Cycloon erfolgt die Zustellung von Paketen des Online-Händlers ab sofort zwischen 17 und 22 Uhr abends emissionsfrei per Lastenradkurier. Cycloon-Geschäftsführerin Marieke Snoek hofft diesbezüglich auf eine Vorbildfunktion: „Wir hoffen, dass die Partnerschaft mit Zalando auch andere Unternehmen dazu inspiriert, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen, damit unsere Liste der mehr als 30 grünen Fahrradstädte, in denen wir aktiv sind, ebenfalls wächst“, wird sie in der Zalando-Mitteilung zitiert.

Lastenräder könnten ein Drittel der urbanen Logistik stemmen – und CO2 sparen

Hierzulande wurden im letzten Jahr etwa ca. 1,6 Mio. Kilometer per Muskelkraft bzw. mit Elektrounterstützung auf den Lastenrädern zurückgelegt, wie der Radlogistikverband berechnete: „Im Vergleich zur herkömmlichen Zustellung mit Dieselfahrzeugen konnten durch die Radlogistik damit 400 Tonnen CO2 bei ca. 4,6 Mio. ausgefahrenen Sendungen vermieden werden“, heißt es im Bericht. „Die CO2-Einsparung ist bisher nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Beitrag zum Klimaschutz entspricht ca. 100 leichten Nutzfahrzeugen, die nicht unterwegs sind.“ Schätzungen zufolge ließen sich jedoch bis zu 30 Prozent der Logistik im urbanen Raum mit Lastenrädern abwickeln – wodurch sich die Emission nochmals deutlich reduzieren ließe.  

Dafür brauche es allerdings auch den Willen der Politik, mehr Güter auf das Lastenrad zu verlagern und dafür notwendige Maßnahmen umzusetzen. Dazu zählen unter anderem durchgängige, mindestens zwei Meter breite Radwege, Kaufanreize für Gewerbekunden in ähnlicher monetärer Höhe wie bei E-PKWs, eine gerechte Bepreisung von Emissionen, Leasing-Modelle, Ansprechpartner für Unternehmen in Verwaltungen für Wirtschaftsverkehr und Logistik sowie die Schaffung weitere Mikrodepots.  

„Die Radlogistik wächst eindeutig und hat das Potenzial von einem noch ,homöopathischen‘ Niveau zukünftig signifikante Anteile des innerstädtischen Wirtschaftsverkehrs zu übernehmen. Aus Sicht der Radlogistik sind wir beim Umsatz, zugestellten Sendungen und messbarem Beitrag zur Emissionsminderung bei weitem noch nicht da, wo wir hingehören“, so der Branchenverband.

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Geschrieben von Hanna Behn