2016 wurden in Deutschland mehr als drei Milliarden Pakete versendet. Diese Zahl wurde in den vergangenen Monaten immer wieder genannt. Für 2017 erwartet man sogar noch mehr. Erst vor Kurzem hat der BIEK, der Bundesverband Paket und Expresslogistik, die Zahlen für das erste Halbjahr 2017 vorgestellt. In der Meldung des Verbandes heißt es, dass die Kurier-, Express- und Paket-Branche auf ein sehr erfolgreiches erstes Halbjahr 2017 zurückblicken kann.

Verschiedene Pakete
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Weihnachtssaison: 15 Millionen Sendungen an einem Tag

Die harten Zahlen: Das Sendungsvolumen stieg in den ersten sechs Monaten um 6,4 Prozent. Dabei wird dieser Anstieg vor allem durch das Wachstum bei den Paketsendungen getragen (6,6 Prozent). Aber auch die Express- und Kuriersendungen konnten im ersten Halbjahr deutlich um 5,2 Prozent zulegen. Umgerechnet auf absolute Zahlen wird der Anstieg dabei erst so richtig deutlich. Täglich werden nämlich über 500.000 Sendungen (!) mehr als im ohnehin bereits starken vergangenen Jahr transportiert. Florian Gerster, Vorsitzender des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik, zieht daraus den Schluss, dass die Entwicklung „die enorme Aufnahme- und Leistungsfähigkeit der Infrastrukturnetze und die Qualität der Dienstleistungen der KEP-Unternehmen“ wiederspiegelt.

Für das Weihnachtsgeschäft geht der BIEK von Zuwächsen von neun bis elf Prozent aus. Die Zustellung an den Endkunden steigt dabei in der Weihnachtszeit um bis zu 30 Millionen Sendungen auf knapp 290 Millionen B2C-Sendungen verglichen mit dem Vorjahr. Man erwartet zu Spitzenzeiten deutlich mehr als 15 Millionen Sendungen an einem einzigen Tag.

KEP-Dienstleister kommen nicht mehr hinterher

Der Hauptgrund für die enorm gestiegene Paketflut ist das Wachstum des Online-Handels. Und der ist noch lang nicht am Wachstumsende angekommen. Warum auch? Die Leute lieben es, online zu shoppen. Die Gründe dafür sind bekannt.

Die KEP-Dienstleister wollten mit dem E-Commerce-Wachstum mithalten. Investitionen in Milliardenhöhe sind die Folge. Hermes hat beispielsweise im Juli 2016 verkündet, dass man neun neue Logistikzentren bauen will, um die Infrastruktur künftig noch leistungsfähiger zu machen. Bis 2019 will Hermes bundesweit über 300 Millionen Euro in den Bau von Standorten bzw. in die Erweiterung bestehender Logistikzentren investieren. Damit sollen Kapazitäten für jährlich über 400 Millionen Sendungen geschaffen werden. Hermes soll nach Abschluss der Investition über insgesamt 15 Logistikzentren sowie 20 Depots verfügen.

Und auch die DHL investiert. In Bochum wird aktuell an einem Paketzentrum gebaut, das stündlich an die 50.000 Sendungen verarbeiten soll. Auch in Obertshausen wurde ein Zentrum eingeweiht, das vergleichbare Kapazitäten hat. Insgesamt können in den 34 bestehenden Paketzentren der DHL bereits jetzt bis zu einer Million Sendungen in der Stunde bearbeitet werden.

Neben DHL und Hermes investieren auch die anderen Dienstleister. Doch es scheint einfach nicht zu reichen. Wurde zu spät reagiert? Hätte man nicht vorhersehen können, wie sich das Paketvolumen entwickelt? Ein Blick auf die Statistik zeigt: Ja, man hätte eher reagieren müssen. Auch wenn es 2009 mal zu einem Rückgang bei den Sendungen gekommen ist, war das die absolute Ausnahme. Man hätte mehr und schneller investieren müssen.

Anzahl der Sendungen von Kurier-, Express- und Paketdiensten (KEP) in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2016 (in Millionen) | Statista
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Man stößt an jeder Ecke an seine Grenzen

Aber es sind nicht nur die Kapazitäten bei den Anlagen, die erreicht sind. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit setzen die Dienstleister auf Aushilfen, um die Pakete zu den Empfängern an die Haustür zu bringen. Aber es fehlt an Menschen, die diesen undankbaren Job überhaupt machen wollen. Wie heißt es so schön: Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Gut – sicherlich nicht ganz, doch wer will schon schwere Pakete von Transporter zur Tür tragen, diese in die vierte Etage wuchten und dann vielleicht auch noch angemeckert werden, weil das Paket einen Tag zu spät angekommen ist? Genau. Niemand. Zumindest nicht für das Geld. Und so ist es auch irgendwie wenig überraschend, das immer wieder Arbeitnehmer in den Streik treten. Andere klagen sogar.

In den Forderungen liest man oft von Lohnerhöhungen. Sollte eigentlich drin sein, wenn man sich die Geschäftsberichte von DHL und Co. ansieht. Allein die DHL hat im 3. Quartal 2017 einen Umsatz von 14,6 Milliarden Euro gemacht. Der operative Gewinn beläuft sich auf 834 Millionen Euro. Damit verzeichnet der Konzern ein „drittes Quartal mit einem erneuten Rekordergebnis“. Der Bereich Post - eCommerce – Parcel (PeP) erwirtschaftete dabei einen Umsatz von 4,3 Milliarden Euro, was einem Plus von 6,9 Prozent entspricht.


Welchen Anteil trägt der Online-Handel?

Schaut man sich in den sozialen Netzwerken etwas genauer um, ist von weihnachtlicher Stimmung kaum etwas zu spüren. Die KEP-Dienstleister stehen von allen Seiten unter Beschuss. Zuletzt wurde sogar schon ein offener Brief von einem Online-Händler an die Versanddienstleister diskutiert.

Während dem Händler einiges an Zustimmung entgegen gebracht wird, werden aber auch andere Stimmen laut. Es wird kritisch gefragt, ob nicht vielleicht die Händler selbst das Problem sind, weil diese mit ihren „10-EUR-Paketen“ das Paketvolumen in die Höhe schrauben. Und tatsächlich ist an dem Gedanken was dran. Gerade die Big-Player wie Amazon und Co. bieten den Kunden an, die Waren in mehreren Paketen zu versenden, wenn nicht alles auf Lager ist. Resultat: Fünf Pakete statt einem. Für jedes muss Geld bezahlt werden, für jedes muss der Paketbote an der Haustür klingeln. Zum Glück kann man sagen, dass das nicht jeder macht.

Frank Rausch, Geschäftsführer von Hermes in Deutschland, gibt jedoch noch einen weiteren Aspekt zu bedenken: „Der Preis, den der Handel bereit ist für ein Paket zu zahlen, ist schlichtweg nicht auskömmlich.“ Sollten Händler also tiefer in die Tasche greifen müssen? Vielleicht keine so abwegige Idee – wären da nicht die Kunden.

Geiz ist geil

Während die Dienstleister versuchen, dem Chaos Herr zu werden, und die Online-Händler einfach mal nichts anderes machen können, als Pakete zu versenden, sind es vor allem die Kunden, die diese Paketflut zu verantworten haben.

Denn mal ganz im Ernst: Warum müssen Artikel für drei Euro online bestellt werden? Kann man dafür nicht tatsächlich in den Laden gehen? Müssen Pakete am nächsten Tag geliefert werden? Kann man sich nicht dafür entscheiden, so lang zu warten, bis alle Artikel geliefert werden können, um am Ende nur ein Paket entgegen nehmen zu müssen?

Die aufgeworfenen Fragen sind dabei noch nicht mal das wirkliche Problem. Eine sogenannte „Null-Versandkostenmentalität“ bei den Verbrauchern macht wohl den Händlern und Dienstleistern am meisten zu schaffen. Niemand will für den Versand bezahlen. Ich auch nicht. Händler müssen deswegen die Versandkosten direkt einpreisen oder einen Mindestbestellwert einführen, ab dem dann „kostenlos“ versendet wird. Und wer jetzt meint, ich übertreibe hier, der irrt sich. Übrigens ist auch das Thema Retour-Kosten hier nicht zu verachten.

Inwiefern beeinflussen die Versandkosten Ihre Bestellung? | Statista
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Die Statistik zeigt; 59 Prozent der Verbraucher brechen einen Kauf bei zu hohen Versandkosten ab. Dabei sind die Versandkosten in Deutschland nicht sonderlich hoch, doch 91 Prozent der Deutschen sind nicht bereit, mehr als fünf Euro für den Versand zu zahlen. Aus dem RTR Post Monitor Jahresbericht für 2016 geht hervor, dass der Preis für eine Paketsendung bis zwei Kilogramm beim Spitzenreiter Norwegen 13,41 Euro kostet. Das ist mehr als doppelt so viel, wie der Monitor für Deutschland (6,97 Euro) angibt.

Die Preise werden steigen müssen

Und wie löst man das Problem jetzt? So kurz vor Weihnachten wird es da wohl gar keine Lösung mehr geben. Alle, die ihre Pakete online bestellen, sollten das lieber jetzt erledigen und nicht auf die lange Bank schieben. Langfristig werden die KEP-Dienstleister jedoch ihre Preise erhöhen müssen – aber nicht, um die eigenen Taschen noch voller zu machen.

Die Preise müssen angehoben werden und direkt ins Personal und die Sortieranlagen und Paketzentren investiert werden. Denn die jetzt geschaffenen Kapazitäten werden nicht reichen. Und die Angestellten werden sicherlich eher mehr als weniger für eine faire Bezahlung kämpfen. Online-Händler müssen die Kosten an die Kunden weitergeben, damit diese vielleicht auch endlich mal lernen, dass die Arbeit der KEP-Dienstleister auch etwas wert ist und nicht als selbstverständlich wahrgenommen wird.

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Geschrieben von Julia Ptock